„Zahlreiche Fachpädagogen behaupten, Schulen sollen sich auf die Vermittlung der vier Ks verlegen – kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität. Allgemeiner sollten Schulen weniger Wert auf technisches Können legen und stattdessen universell anwendbare Lebensfertigkeiten in den Mittelpunkt rücken. Am allerwichtigsten wird die Fähigkeit sein, mit Veränderung umzugehen, neue Dinge zu lernen und in unvertrauten Situationen das seelische Gleichgewicht zu wahren. Wollen wir mit der Welt des Jahres 2050 Schritt hatten, müssen wir nicht nur neue Ideen und Produkte erfinden- wir müssen vor allem uns selbst immer wieder neu erfinden.“ (Harari, Yuval N. (2018): 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, S.402)
Warum sollten Coaching, Supervision und Prozessbegleitung selbstverständlich sein?
Bevor wir uns der Frage der Eignung der unterschiedlichen Formate und deren Gemeinsamkeiten nähern, ein kurzer Diskurs zur Notwendigkeit und Nutzen von Coaching, Supervision sowie Prozessbegleitung in der pädagogischen Praxis. Fragt man Pädagog*innen und Teams, werden alle Formate als Wunsch zur regelmäßigen Verfügbarkeit und Anwendung genannt. In der Realität kommen sie oftmals erst und nur als Mittel zur Konflikt- und Krisenbewältigung zur Anwendung.
Eine freie Übersetzung des Wortes „Krise“ vom chinesischen Schriftzeichen für dieses benennt zwei Deutungsmöglichkeiten: dem Zeichen für „Gefahr“ und dem Zeichen für „Gelegenheit“. „Gefahr“ bedeutet Stress, Veränderungsnotwendigkeit und Hinschauen, wie sich Sicherheit wiederherstellen lässt. „Gelegenheiten“ lassen sich finden, indem man andere Wege ausprobiert, Neues entdeckt oder einen Schritt weiter geht, über das bisher Erlebte und Gelebte hinaus. In Krisen und Konflikten besteht ein hoher Wunsch nach Unterstützung sowie Begleitung zur Bewältigung und der Regulation der Stressfaktoren. Wir verstehen alle Formate über den Kontext „Konflikt und Krise“ hinaus. Besonders im sozialen Tätigkeitsfeld sollte eine externe Begleitung selbstverständlich genutzt werden DÜRFEN, wenn nicht sogar genutzt werden MÜSSEN, um den Blick über das innere und äußere System hinaus zu ermöglichen.
Anders als in der Wirtschaft, bei der die Herstellung konkreter Produkte mittels detaillierter „Konstruktionspläne“ erfolgt, treffen wir im sozialen Bereich tagtäglich auf Menschen in ihrer gesamten Individualität. Je nach Berufsfeld arbeiten wir zusammen mit Klient*innen, Kund*innen, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, aber auch mit Mitarbeiter*innen anderer Professionen und anderer Tätigkeitsbereiche, sowie mit unserem Team und unseren Vorgesetzten. Im Mittelpunkt aller beruflichen Aktivitäten treffen wir sogar auf uns selbst.
Der Mittelpunkt sind wir selbst? Mit systemischem Blick ist klar, dass keine Trennung möglich ist. Ein System, laut Systemtheorie, ist als die Gesamtheit aller zwischenmenschlicher Beziehungen als auch die Wechselwirkung von Werten, Zielen und Loyalitäten innerhalb von Menschen, Teams und Organisationen. In diesen Systemen entfalten sich komplexe Wechselwirkungen aus Arbeitswelt und Privatleben. Aber auch das Wechselspiel der Persönlichkeitsanteile von Menschen hat vielfältige Wirkungen und Wechselwirkungen. Jeder einzelne Part hat Auswirkungen auf das gesamte System und bedingt, verstärkt oder behindert sich gegenseitig. Folgt man hier noch dem konstruktivistischen Ansatz wird klar, dass alle unsere persönlichen Wahrnehmungen und Deutungszuweisungen ausschließlich unsere ganz persönliche Sicht beinhalten und Kommunikation das einzige Mittel ist, einander diese verschiedenen Sicht- und Wahrnehmungsweisen mitzuteilen.
Wir spüren dieses an und mit den Menschen, die wir begleiten – ein Spannungsfeld, welches uns oft an die Grenzen eigener Erwartungen und der Erwartungen anderer bringt. Im pädagogischen Kontext ist dies fast schon ein Paradox, welches zurückführend auf den Duden einen „[scheinbar] unauflösliche[n] Widerspruch in sich“ enthält.
Erfolgs- und Wirksamkeitsfaktoren sind dabei keinesfalls beliebig, aber dennoch so vielfältig wie die Individualität und Biographie eines jeden Menschen. Gesellschaftlich lässt sich ein Erfolg der Arbeit im sozialen Bereich abbilden, allerdings zeitverzögert, langfristig und gleichzeitig spüren wir alle Veränderungen in der Gesellschaft unmittelbar.
Coaching, Supervision und Prozessbegleitung richten mit jeweils etwas anderem Fokus den Blick auf das eigene Selbst (ICH), das Gegenüber (DU) und den Blick auf das Miteinander im Team (WIR). Für jede dieser Perspektiven braucht es Kompetenzen.
ICH: Wer andere Menschen begleitet, braucht eigene Stärke, das Erkennen und Bewahren eigener Energie- und Ressourcenpotentiale sowie Wissensimpulse zum Neu- und Wiederentdecken. Wer andere Menschen begleitet braucht Veränderungskompetenz und Stabilität.
DU: Wer mit und für andere Menschen arbeitet, braucht Möglichkeiten des Eulenblickes, heißt, man muss sich mit der Perspektive des anderen auseinandersetzen, dessen Bedürfnisse, Gefühle und Potenziale wahrnehmen und geeignete Handlungen im Sinne der Entwicklung seines Gegenübers initiieren.
WIR: Wer andere Menschen begleitet, braucht Methoden für die eigene Reflexion und für die Arbeit im Team, deren Anwendung in der Praxis, sowie Sicherheit im Umgang mit Konflikt- und Belastungssituationen. Für das Miteinander im Team gehört eine Teamkultur, in der kritische, schwer verstehbare, sich oft ändernde Bedarfe Raum und Zeit bekommen, um ausgesprochen, sortiert und strukturiert zu werden. Grenzen der Machbarkeit müssen erkannt werden oder auch neu ausgehandelt werden.
Im Zentrum aller Formate steht als Ziel, Menschen und Organisationen lösungs-, ressourcen- und kompetenzorientiert zu begleiten. Anknüpfend an die Übersetzung des chinesischen Schriftzeichens für Krise lassen sich „Gelegenheiten“ auch als Möglichkeiten begreifen, den jeweiligen Anforderungen nicht nur gerecht zu werden, sondern diese im Sinne von Resilienz zu bewältigen. Dr. Florian Roth vom Competence Center Politik und Gesellschaft Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI beschäftigt sich mit der Frage, wie systemische Resilienz gefördert und dadurch Transformationsprozesse gemeistert werden können. „Anstatt vor der nächsten Krise nur Symptome zu bekämpfen (Single-Loop-Learning), sollte die Frage nach den Ursachen gestellt werden (Double-Loop-Learning).“ Roth stellt also die Fähigkeit, nicht notwendigerweise in den Zustand vor einem Ereignis zurückzukehren, sondern eine kontinuierliche Anpassung unter sich verändernden Umweltbedingungen vorzunehmen, ins Zentrum der langfristigen Entwicklungen von Organisationen und Systemen. (vgl. 1)
Was steckt in den Formaten Coaching, Supervision, Prozessbegleitung?
WAS heißt Coaching?
Coaching umfasst die individuelle lösungs- und ergebnisorientierte Begleitung von Menschen, oft im beruflichen Umfeld, aber auch für persönliche Pläne und Ziele, zur Förderung der Selbstreflexion, Wahrnehmung des eigenen Erlebens und Verhaltens bei Bedarf an Veränderung, Wachstum sowie beim Finden von Entscheidungen. Im Mittelpunkt des Coachings steht der Mensch und folgt der Grundannahme, dass jeder alle Kompetenzen mitbringt, die für eine Veränderung oder Stabilisierung einer Lebenssituation benötigt werden. Im Coaching werden Menschen angeregt, Problemursachen zu erkennen, eigene Lösungen zu entwickeln und im aktiven Handeln auszuprobieren, anzupassen und bestenfalls zu verstetigen. Coaching ist ein stärkender, kreativer Prozess mit Verständnis der dahinterliegenden Themen. Es kann sowohl als Einzel-Person als auch für Teams genutzt werden.
WAS beinhaltet Supervision?
Supervision ist ein zusammengesetztes Wort aus dem Lateinischen super = über und videre = sehen. Supervision heißt somit frei übersetzt „Von-oben-Betrachtung.“ Der Supervisor begleitet dabei, das berufliche Handeln von außen zu betrachten und somit die eigene Arbeit zu reflektieren. So ergeben sich durch das Erkennen der Wechselwirkungen des beruflichen Handelns Handlungsoptionen im beruflichen Alltag. Supervision aktiviert Kompetenzen für den Umgang mit herausfordernden beruflichen Situationen. Probleme, Phänomene, Herausforderungen, Konflikte usw. lassen sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Der Supervisor hält sich mit Empfehlungen, Handlungsanweisungen und Lösungsvorschlägen zurück. Entscheidend ist es, dass die Supervisanden zur Selbstreflexion finden. Supervision wird oft begleitend und unterstützend zu Teambildung und Organisationsentwicklung durchgeführt.(vgl. 2)
Was kann Prozessbegleitung?
Der Ansatz Prozessbegleitung in Organisationen unterstützt Führungskräfte und Mitarbeiter*innen bei Veränderungsvorhaben, Strukturierung und Anpassung von Organisationen an die aktuellen Erkenntnisse und Bedarfe. Prozessbegleitung in Organisationen sorgt dafür, dass Managementprozesse und -instrumente in einer Organisation etabliert werden, sodass diese Organisation zu einem „lernenden System“ bzw. einer „lernenden Organisation“ wird. Die Prozessbegleitung strukturiert die Kernprozesse einer Einrichtung. Die zentralen Bestandteile sind der Ist-Stand, die Bedarfsanalyse, Planung und Ausrichtung der nächsten Prozesse, Überprüfung, Transfersicherung sowie die abschließende Evaluation. Prozessbegleitung versteht sich als „neutrale“ Begleitung des Teamentwicklungsprozesses und ist nicht zuständig für fachliche Fragen und Probleme. Prozessbegleiter*innen sind Fachleute für die sozialen Prozesse, Methoden der Teamarbeit, Kooperation und Kommunikation.
Welche Gemeinsamkeiten verbinden alle Formate als Angebote im Kolleg?
- Alle Formate begreifen wir als systemische Begleitung. Jede Person, die zu einem System zählt, wird mit systemischer Begleitung angesprochen. Also nicht nur Führungs- und Leitungskräfte sowie Teams, sondern auch Einzelpersonen in Organisationen. Einzelpersonen können Schlüsselfiguren sein, und das auch dann, wenn sie keine Führungsrolle haben. Systemische Begleitung dient dazu, die Zusammenhänge in einem System zu erkennen, im Blick zu behalten und zu nutzen.
- Ziel aller Formate ist es, in wertschätzender Haltung sich selbst und Anderen zu begegnen. Sie erarbeiten Ideen, entdecken Potenziale, stärken ihre Ressourcen, gewinnen Wissen und trainieren nützliche Vorgehensweisen. So entstehen Klarheit, Sicherheit und Entlastung. Wir geben keine Patentrezepte, sondern unterstützen mit maßgeschneiderten Angeboten, Ziele zu erreichen und mit neuer Energie voranzugehen.
- Die Entscheidung über Umfang, Frequenz und zeitlichen Abstand treffen die Kund*innen. Es gibt keine richtige Antwort, wie lange eine gute und hilfreiche Begleitung dauert, weil dies stets vom Kontext abhängt. So steht einerseits das Bestreben, schnell nützliche Begleitung anzubieten im Sinne der Aktivierung von Selbstwirksamkeitsprozessen und anderseits können langfristige regelmäßige Termine für Stabilität, (Selbst-)Fürsorge und einen sicheren Ort der Reflexion sorgen.
- Unsere Werte im Kolleg Unsere Rolle verstehen wir primär als aktive Begleitung. Wir sorgen für Struktur und Rahmen, halten methodische und fachliche Hilfen bereit. Sie finden Ihre Wege und Lösungen, um diese kreativ und realitätsnah zu entscheiden und zu probieren. Sie übernehmen Verantwortung für Ihr Handeln. Absolute Vertraulichkeit und eine wohlwollende Atmosphäre geben Raum fürs eigene Wachsen.
- Welche Expertise können Sie erwarten? Alle unsere Referent*innen, Coaches und Supervisor*innen verfügen über entsprechende Aus- und Fortbildungen und umfangreiche praktische Erfahrungen.
- Quellen: 1) https://www.consulting.de/consulting-lexikon/einzelansicht/Prozessberatung/ Zugriff 13.09.222) https://supervision-ffm.com/systemische-beratung/ Zugriff 22.09.22